Ludwig Hirsch - Konzertrezensionen


Zur Juwelenseite ...

Schaurig poetisch - Ludwig Hirsch am 29.10.2010 in der Bamberger Konzerthalle

Über 600 Fans im vollbesetzten Hegelsaal starren gebannt in die Finsternis der Bühne - bis endlich dunkle Gestalten vorüberschleichen. Man hört aus den Lautsprecherboxen langsame, hallige, teuflisch schlurfende Schritte. Ja, das muss er sein ... Ludwig Hirsch, der österreichische Liedermacher und Schauspieler erwischte nicht ganz diese "Playback-Schritte". Waren sie vielleicht (wie auf den Plakaten zu lesen steht) schon ein kleiner Hinweis, dass dies doch die letzte Tournee sein könnte? Nein, sie sind Bestandteil von "Im Anfang". Mephisto lässt grüßen. Mit diesem beeindruckenden Prolog, in dem es um die Erschaffung des Menschen ging, begann das Konzert. Schließlich habe der Teufel am 6. Tag den Menschen erschaffen, weil der liebe Gott von den vorangegangenen Anstrengungen schon müde war und dem Teufel das Feld überließ, so Hirsch. Das ist Poesie, wie sie allenfalls große Dichter zuwege bringen. Begleitet wird der Sprechgesang von einer betörend schönen Melodie.

Dann ging es, ohne die genaue Reihenfolge definieren zu wollen, wie immer um poetische Liebeslieder, bitterböse Geschichten, makabre Lebenserkenntnisse, die er manchmal mit einem sichtbaren oder unsichtbaren Augenzwinkern dem Publikum nahe brachte. Aus seiner über 30 Jahre währenden Karriere als Geschichtenerzähler zelebrierte er wohlbekannte Stücke wie "Omama", "Peterle", "Herr Haslinger, "Schutzengerl", "Sternderl schaun", "I lieg am Ruckn" (in neuem Arrangement), "Nicht küssen", "Der Kater", "Wolf", "Ich liebe dich".

Von "I lieg am Ruckn" geht immer noch eine eigenartige, schaurige Faszination aus. Dazu trug auch die eng umgrenzte ockergelbe Beleuchtung bei, die sein Gesicht zu einer Totenmaske formte, während seine Gedanken weit unten im feuchten Sarg beschreiben, wie es wohl wäre, wenn "sie" oben Tränen vergießt und er sich doch so gern eine wünschte, die nach unten durchsickert.


Foto: Gerd Müller

Zwischendurch stellte Hirsch, fast immer auf dem Hocker sitzend, seine langjährigen Wegbegleiter vor: Johann M. Bertl, seinen besten Freund, der mit der Gitarre verwachsen scheint. Dazu Manfred Schweng an der Bassgitarre und Andi Steirer mit etlichen eigenen Klangerfindungen an den Percussion-Instrumenten. Steirer stellte seine "Body-Percussion"-Erfindung vor. Mittels entsprechender elektronischer Kontakte am Körper konnte er damit täuschend ähnlich ein Schlagzeugspiel imitieren. Beeindruckend, weil es auch visuell etwas hergab.

Nach der Pause "erzählte" er die Geschichte von Jonas, der während eines Sturmes auf Anordnung des Kapitäns von Bord musste, weil das Meer ein Opfer brauchte. Jonas wurde von einem Wal "geschnappt" und sinnierte: "Jetzt sitz ich da im Walbauch, und das schon seit drei Tagen. Finster ist es, feucht und kalt, es stinkt nach Lebertran (Gelächter im Publikum). Manchmal zieht draußen ein Schiff vorbei und man hört Musik. Dann musizieren die Piraten, und mein Wal singt mit ...."
Dann hört man den legendären Gesang der Buckelwale, im Hintergrund das Geräusch einer Schiffsschraube ... Das sind Momente, wo man den Atem anhält. Ein Meisterwerk par excellence.

Es folgten gegen Ende des zweistündigen Konzerts u.a. noch "Spuck den Schnuller aus", das natürlich in keinem Konzert fehlen darf. Hier geht es um den "Windelstriptease" zweier Kleinkinder. Bei der Passage "... Ich zeig dir meins" kam der Zuruf eines textsicheren Fans: "Und du zeigst mir deins" und Hirsch konterte sofort: "Naa, ich zeig dir meins net". Sowas kommt natürlich an.

Einsamer Höhepunkt war der Song "Komm großer schwarzer Vogel", der durch seine makabre Intensität besticht und sicher für manche Zuhörer ein schwerer Brocken war, weil er sich thematisch mit dem Jenseits beschäftigt. Vor allem, wie es dort wohl ausschauen mag.

Wenn man ein Resümee ziehen darf, muss man im Vergleich zu der beim Merchandising-Stand angebotenen Live-DVD, die 1993 aufgenommen wurde, schon feststellen, dass Ludwig Hirsch wesentlich ruhiger geworden ist. Er bewegte sich kaum, schaute auch etwas müde aus. Wie zu lesen war, laborierte er noch an den Folgen einer Erkältung. Vielleicht war er auch ein wenig traurig, weil es möglicherweise doch die letzte Tour gewesen sein könnte. In Interviews der letzten Zeit deutete er an, dass er sich künftig wieder mehr der Schauspielerei widmen möchte. Er ist ja ausgebildeter Schauspieler, spielte in den Siebzigern jahrelang am Theater in der Josefstadt und hat sich auch für Fernsehrollen immer wieder eine Auszeit genommen. Was im Gegensatz zu früheren Livekonzerten mit der Band auffiel, war der Verzicht auf seinen Begleiter an den Keyboards, Karl-Heinz Leschanz oder Jenny, die 2003 beim letzten Konzert in Bamberg noch die Keyboards bediente. Man vermisste irgendwie den stimmungs- und weihevollen Background, der im Original die meisten Songs trägt. Dennoch war es ein lohnenswerter, tief beeindruckender Abend, den man nicht vergessen wird. Standing Ovations zum Schluss.

Gerd Müller (eingestellt 02.11.2010)

Noch ein paar Fotos mehr ...



Ausführliche, kompetente
Fansite über Ludwig Hirsch
Andi Steirer

 

 



Von links:
Ludwig Hirsch, Johann M. Bertl, Manfred Schweng, Andi Steirer

(Pressefoto)


Seine erfolgreiche, auf hohem künstlerischem Niveau stehende "Perlen-Tour" machte auch in Bamberg Station ...

© Fränkischer Tag Bamberg/Ronald Rinklef

Ludwig Hirsch in der Bamberger "Sinfonie an der Regnitz"
Foto: Ronald Rinklef, Fränkischer Tag
Ich danke der Lokalredaktion des "Fränkischen Tags", Bamberg, für die freundliche Genehmigung zur Übernahme des Artikels vom 25.09.2003!
Bitte nutzen Sie den Link zur virtuellen Seite der Tageszeitung:



Räudiger Wolf mit Schalk im Nacken

Poesie und schwarzer Humor: Der Liedermacher Ludwig Hirsch in der Konzerthalle

Ludwig Hirsch in der Bamberger Konzerthalle: Schon mit den ersten Zeilen gelang es dem österreichischen Schauspieler und Liedermacher sein Publikum in Bann zu ziehen. „Setz dich afoch hin und horch zu“. © Fränkischer Tag Bamberg/Ronald Rinkleff

Die sonore Stimme, die wohltuenden Klänge des Regenrohrs und der Gitarre lassen gleich zu Beginn das „Eis schmelzen“ zwischen den Zuhörern und dem Gast aus der Steiermark, der mit seiner neuen CD „Perlen“ durch Deutschland, Österreich und die Schweiz tourt. Älter geworden (Jahrgang 1946) ist er höchstens rein äußerlich, der Schalk sitzt ihm im Nacken wie je, und er ist noch immer ein verwandlungsfreudiger Interpret seiner selbst.

Hager und unprätentiös sitzt er zunächst als „räudiger „Wolf“ auf seinem Hocker und erzähltseine dialektgefärbten Geschichten. Hirsch schafft eine dichte Atmosphäre im Saal, in der alle ganz genau lauschen, an welchem Punkt denn nun die scheinbare Gemütlichkeit warmer Poesie gebrochen wird, etwa wenn er die Persönlichkeit seiner toten Oma schildert, die sowohl eine Hex' als auch eine Fee sein konnte. Auch seine Eltern beschreibt er in einem anderen Lied als eher skurrile Gestalten, aber „er liebt sie trotzdem“, oder gerade deswegen.

Hirsch ist kein Moralist, der betroffen machen will. Dem Personal seiner Geschichten begegnet er mal mit Sarkasmus, mal mit Zärtlichkeit, aber bevor er verurteilt, wird er lieber makaber. Er hat einen befreiend schwarzen Humor, auch wenn es einem manchmal graust. „Die Kinder halten die Teller bereit/ es knurrt ihnen der Magen./ Nur ned der Lisbeth, weil die sich am Spieß dreht,/ ui jessas na.“ Völlig ungerührt erzählt er von einem, der seine Opfer eiskalt liquidiert, oder vom Kannibalismus, der in den Spielen der Kinder steckt. Er zerbricht die Romantik und Naivität von Kinderliedern und Märchen und versetzt den Zuhörer mit seinen morbiden Phantasien in kalkulierten Schrecken.
In scharfem Kontrast dazu steht der Wohlklang der Musik, die das Publikum sich in vermeintlicher Harmonie wiegen lässt. Gut arrangiert vom langjährigen Weggefährten Johnny Bertl, wird der Sound schwungvoll umgesetzt von vier Bandmitgliedern (Percussion, E-Gitarre, Bass), die den Sänger in dieser Besetzung erstmalig begleiten. Nach Gestik und Spielart sind sie die klassischen Musiker der Unterhaltungsbranche.
Der Bühnenaufbau ist betont schlicht, als Background kommt nur Schwarz in Frage. Lebendigkeit wird bewirkt durch eine optisch unaufdringlich präzise Lichtregie, die mit Farben und Punktgenauigkeit arbeitet. So entsteht eine sorgfältige, die Stimmung jedes einzelnen Titels treffende Inszenierung ohne penetrante Showeffekte.

Hirsch hat jedoch nicht nur dunkelgraue Perlen dabei, dazwischen wird es auch mal rosarot und pappsüß. Mit Ludwig lässt es sich auch ganz gemütlich in die „Sternderln schaun“ oder über den besoffenen „Weaner“ lachen, der in der „Gossn“ auf seinem Schwein hockt und greint, weint, reimt.
So richtig bei sich selbst ist Hirsch, wenn er „nachtschwarze“ Geschichten erzählen kann. Das Publikum erkennt sie wieder wie gute alte böse Träume. Etwa das vom „leichenbleichen Mond“, bei dessen Schein die behinderten Kinder ihr nächtliches Fest feiern, und schließlich – als letzte Zugabe – das vom großen schwarzen Vogel, mit dem man in der Stunde des Sterbens, erlöst von schwerer Krankheit, auffliegt in eine andere Welt: „Und ich werd lachen, ich werd endlich kapieren. Und ich werd glücklich sein.“

So kommt das Tiefe ganz leicht daher bei Ludwig Hirsch, und Leichtes wird manchmal ganz tief. Dank, Ludwig.
Birgit Abraham


Mein Konzertbericht vom 23. September 2003, Bamberg, "Sinfonie an der Regnitz":

"Nirgendwo wird schöner gestorben wie bei Ludwig Hirsch", schrieb kürzlich Ingeborg Schober in einer SZ-Rezension nach dessen Konzert im Prinzregententheater, München. Er war nun zum zweiten Mal in der gerade 10 Jahre jung gewordenen Konzerthalle, der Heimstatt der weltbekannten Bamberger Symphoniker. Das musste ja Gutes verheissen und so war es auch. Für uns als Ludwig Hirsch-Fans war der Besuch sowieso Pflicht.

© gib-mir-musik
Ludwig Hirsch bei der Perlen-Tour 2003
© "gib-mir-musik"

Die Bühne war für Ludwig und seine Band viel zu groß. Kein Wunder, denn dort spielen ja oft mehr als 100 Symphoniker mit ihrem Instrumentarium und manchmal noch der Symphoniker-Chor in großer Besetzung. Aber dass sein Mikro ca. 10 m von der Bühnenkante entfernt nach hinten seinen Standort hatte, die Band noch weiter hinten (gut, seitlich stand der "Neuzugang" Jenny an den Keyboards), war schon enttäuschend. Wir hatten zum Glück Reihe 5, da konnte man noch im Gesicht lesen. Wer allerdings am oberen Ende der ansteigenden Zuschauerreihen der 1300 Zuschauer umfassenden Halle sitzen musste, hätte besser getan, ein Opernglas mitzunehmen. Der Bühnen-Hintergrund war schwarz verhangen - ist ja naheliegend. Dahinter verbarg sich die größte Konzerthallen-Orgel Europas aus dem Hause Jann. Seitlich konzentrierten schwarze Blenden den Blick auf die Bühnenmitte. Nicht unwichtig für die Roadies, die sofort aktiv wurden, wenn z.B. andere Gitarren oder sonstige Utensilien gebraucht wurden, weil nach dem Ende eines Liedes sofort die Scheinwerfer erloschen. In praktisch völliger Dunkelheit (!) wuselten die Leute mit glühwürmchenartigen blau glimmenden Taschenlampen herum und wenn das Licht nach dem Beifall wieder aufging, war der ganze "Spuk" vorbei. Hab ich ehrlich gesagt, so noch nie bei einem Konzert gesehen. Die mussten Augen wie Luchse haben, denn die "Leuchtkäfer" gaben kaum Licht her. Da hätte jeder "schwarze Vogel" Probleme gehabt ... Ludwig weiß halt, wie man Spannung - oder Neugierde inszeniert.

Dann kamen er und seine drei treuen "Brüder im Geiste" und eben "die Neue", Jenny , die sich nicht nur optisch hervorragend einführte. Die Aussteuerung der Verstärkeranlage war einfach ideal, sanft, Balsam für empfindliche Ohren. So konnte doch irgendwie eine "Club-Atmospäre" entstehen. Manchmal meinte man, dass das Publikum gemeinsam den Atem anhielt und eine fallende Stecknadel hätte es leicht gehabt, zu stören. Ludwig Hirsch zelebrierte Lieder aus seiner neuen Perlen- und Tierisch-CD und beschenkte uns mit einem großen "Best-of"-Querschnitt aus seinem Repertoire. Da zog Jonas, unterstützt von singenden Buckelwalen seine Kreise, bis Gottlieb aus dem feuchtkalten, nach Lebertran stinkenden Bauch des Wals an den Strand gespuckt wurde. Sein großer Hit "I mog di" mit der angedeuteten Elvis-Parodie durfte selbstverständlich nicht fehlen und das gruselige "Ich lieg am Ruckn" ("... Jessas, der erste Wurm ...") ließ wie so oft unsere Gänsehaut fibrieren. "Flachmann" kam zu Wort, er zeigte, wie man "Sternderl schaun" tut, das weinselige Lied vom etwas angestaubten Schwein ("Kellergassen"), das schon bei der Gottlieb-Tour eine Rolle spielte, feierte fröhlich-schwankende Urständ (wann hat man Ludwig so ausgelassen gesehen?). Die "Mondkinder" tanzten, das kokette "Spuck den Schnuller aus" (... Windel-Striptease...), die "Omama" erstickte an ihrem Gebiss. "Nicht küssen" handelt von einem Frosch, der kein Prinz werden wollte. Es war ein Wechselbad der Gefühle, das der Meister darbot. Dazwischen perfekte launige Ansagen, die immer den Schauspieler durchblitzen ließen. Müßig, alle Lieder aufzählen zu wollen ... Jedenfalls erklatschte sich das begeisterte Publikum zum Schluss die erwartete 3. Zugabe "Komm großer schwarzer Vogel" herbei, die nur schwer zu verdauen war. Ludwig sang diese schwarze Ballade wie schon im Juni vor der prächtigen Kulisse bei Schloss Banz am Obermain mit geschlossenen Augen. Volle Konzentration.

Standing Ovations am Ende eines unter die Haut gehenden Konzerts. Es wirkte Tage danach noch nach ...
P.S.: Wo war oder wer war Eva aus Wien??? Gerd Müller, 24.09.2003

Link zur Konzert- und Kongresshalle Bamberg: Mehr ...